Es hat ein bisschen länger gedauert mit diesem Projekt. Der Schnitt ist jetzt endlich abgeschlossen, bald gehen wir in die Farbkorrektur. Und wenn nichts dazwischenkommt, wird der Film am 23. Juni bei ARTE gesendet.
Ich habe einen Film über das Klavierspiel für die linke Hand gemacht. Irgendwie hat man schonmal davon gehört oder – wenn es hochkommt – das Klavierkonzert von Maurice Ravel gehört. Das hat er 1930 für den Wiener Pianisten Paul Wittgenstein geschrieben, nur für die linke Hand, denn Wittgenstein haben sie im 1. Weltkrieg den rechten Arm weggeschossen. Er war aber so besessen von der Idee, Pianist zu werden, dass er nur kurze Zeit nach seiner Rückkehr aus dem Krieg bei den großen Komponisten seiner Zeit Werke in Auftrag gab, die exakt auf ihn zu geschnitten waren. Also alle für die linke Hand. Und er hat sie sich tatsächlich in die Hand geschrieben, wie man unten sieht.
Der Film widmet sich der Geschichte Wittgensteins und erzählt sie mit einer irritierenden Wendung bis heute weiter. Es gibt dieses fantastische Repertoire, das Wittgenstein in Auftrag gegeben hat. Und das ist so schwer zu spielen, dass die meisten Pianisten einen großen Bogen darum machen. Nicht aber der französische Pianist Pierre-Laurent Aimard. Der macht in unserem Film mit und spielt Ravels Klavierkonzert für die Linke Hand. Grandios.
Die irritierende Wendung in dem Film ist: das Repertoire für linke Hand wird tatsächlich heute noch gebraucht – von Pianisten, die ein ähnliches Schicksal haben wie Wittgenstein. Und dieses Repertoire könnte noch viel populärer sein, wenn man ein Tabu brechen würde. Es gibt nämlich eine Reihe von Pianisten, die nur noch mit einer Hand spielen kann. Und zwar mit der linken Hand. Diese Musiker*innen sind auch verletzt, weil sie sich übertrainiert haben. Seltsamerweise spricht man nicht darüber. Aus Scham. Wie der Neurophysiologe Eckart Altenmüller weiß, gibt es eine ganze Reihe von Pianisten, denen – oftmals auf dem Höhepunkt ihrer Karriere – plötzlich die linke Hand versagt. Immer die linke. Der amerikanische Pianist Leon Fleisher hat das erfahren müssen, der junge Schweizer Pianist Antoine Rebstein hat das auch erlebt. Ich erzähle ihre Geschichten und zeige mit dem Film, dass keiner der drei Pianisten an sich selbst gescheitert ist, wohl aber an den Ansprüchen, die von außen kommen. Denn nach wie vor gibt es das gängige Bild in den Köpfen: Klavier spielt man mit zwei Händen. Klavierspiel mit einer Hand scheint für viele irgendwie nicht ganz komplett zu sein.
Ich glaube, dass das nicht stimmt. Darum erzähle ich mit dem Film drei Erfolgsgeschichten. Denn niemals hätten wir so etwas Schönes wie die Klaviermusik für die linke Hand bekommen, wenn diese drei Männer ihr Schicksal nicht so mutig und anmutig in die Hand genommen hätten.
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