Der Titel ist rätselhaft. Man muss schon googlen, um zu kapieren, dass das der Name eines mittelalterlichen Sultans ist. Alp Arslan? Nie gehört.
In Gießen läuft jetzt die Uraufführung einer Oper, die den Titel dieses Sultans trägt. Wir waren zum Drehen in einer der Bühnenproben da und haben ganz fantastische Aufnahmen gemacht. Richard van Schoor hat die Oper komponiert. Es ist seine erste überhaupt. Ich kannte ihn nicht. Er ist in Südafrika geboren, lebt jetzt in der Schweiz. Anfang/Mitte 40, so würde ich ihn schätzen.
Die Oper erzählt in einer Art Requiem die Geschichte des jungen Prinzen Alp Arslan, der unerwartet in das Amt des Sultans geworfen wird. Er kämpft mit dieser neuen Rolle. Sie fällt ihm vor allem deshalb schwer, weil der Eunuch seines Vaters immer noch die Fäden des höfischen Lebens in der Hand halten will und mit allen Mitteln, vor allem homoerotischen Annäherungen, Einfluss auf den jungen Herrscher zu nehmen versucht. Es ist diese Männergeschichte, die diese Oper so toll macht. Es ist das geradezu gedichthaft geschriebene Libretto von Willem Bruls, das in knappester Form so viele historische und zeitgenössische Geschichten einkapselt, verwebt und am Ende als große Parabel auf den gegenwärtigen syrischen Krieg und das heute zerstörte Aleppo auf die Bühne stellt, die die Oper zu einem Meisterwerk macht. Und es ist diese Musik, atonal, düster, traurig, in die sich über arabische Vierteltöne und Polyrhythmen ganz subtil – sagen wir mal salopp – arabisches Kolorit einflicht. Klänge, die sich reiben an den immensen Intervallsprüngen der Gesangspartien und den großen Chorgesängen, die an orthodoxe Zeremonien erinnern.
Richard van Schoor hat unfassbar tolle Chorszenen geschrieben. Er kann so eindrucksvolle, berückende, monumentale Chorszenen schreiben! Die Intendantin Cathérine Miville inszeniert sie in eine statische kammermusikalische Szene hinein. Alles spielt auf einem Rondell, das das Zentrum von Aleppo darstellt, sobald Projektionen draufgeworfen werden. Die szenische Statik tut der Sache gut, sie unterstreicht den Requiemcharakter des Werks, sie lässt mir aber auch die Ruhe, mich ganz dem Gesang zu widmen. Man muss genau hinhören, damit man sich mitnehmen lassen kann. Der Counter des Eunuchen geht über drei Oktaven, die Partie des Alp ist zwar sehr disparat durch die riesigen Intervallsprünge, weil die seine Unreife und Zerrisenheit darstellen sollen, aber sie hat so einen unfassbar lyrischen Ton. Die Tonsprache charakterisiert die beiden Männer extrem präzise. Es macht Freude, die Figuren über ihren Gesang zu enträtseln. Es ist überhaupt eine große Freude, den beiden Sängern auch einfach nur so zuzuhören.
Gießen hat mit Alp Arslan einen großen Coup gelandet. Wirklich gut!
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