Es ist Festspielzeit. Die einen fahren in den Rheingau, durchqueren Schleswig-Holstein, düsen nach Salzburg, nach Bayreuth, die anderen hängen tagelang in Wacken ab, am “Ring” oder beim “Coachella”. Alles eins. Alles gleich. Alles schön. Denn es macht uns glücklich.
Es ist mein 20. Jahr, das ich in Bayreuth verbringe. Und es hat sich tatsächlich sehr viel verändert in dieser Zeit. Dennoch gehört Bayreuth zu den größten Konstanten in meinem Leben. Jedes Jahr am 25. Juli bin ich in Bayreuth, das war so in der Vergangenheit, das ist so in der Gegenwart und vielleicht ist es auch so in der Zukunft. Dieser Termin ist in mir blockiert. Wann immer ich Termine plane für ein kommendes Jahr: der 25. Juli ist unantastbar. Am 25.7. kann ich nicht, da habe ich schon was vor.
Ich erinnere mich noch gut an den Anfang, wie ich das erste Mal mit dem Zug nach Bayreuth fuhr, das elendige Umsteigen und Juckeln mit der Regionalbahn, bis man endlich mal da war. In den ersten Jahren wohnte ich noch in einem Hotel in der Stadt, unweit vom Bahnhof. Erst viel später bemerkte ich, wie gut es ist, sich einen “Geheimtipp” in der Umgebung zu suchen, weil man da die Ruhe hat, die die Musik braucht, um nachzuklingen. Klingt kitschig, ist aber so. Ich habe meinen Geheimtipp nach einigen Trios in die Umgebung gefunden. Er sieht so aus. Nee, ich wohne nicht im Wald, sondern in Bischofsgrün im Fichtelgebirge.
Meine Tage in Bayreuth sind immer gleich. Ich folge hier einem Ritual. 16.00 Uhr – da fängt alles an. Bis 22.00 Uhr. Alle anderen Stunden des Tages sind nur dazu da, um diese eine Zeit so schön und entspannend wie möglich zu machen. Ich bin keine Wagnerianerin, ich folge keinem Kult, ich weiß um die Rezeption, die Familie Wagner, die Gesinnung einiger Familienmitglieder, und auch wenn man das alles nicht ausblenden kann, ist es doch so, dass ich in Bayreuth die besten Zeiten meines Lebens hatte.
Schon von Anfang an war es so, dass ich dachte, ich betrete hier ein Heiligtum. Allein schon weil sich alle so inszenierten. Und weil alles so exklusiv schien. Wer hatte denn schon die Möglichkeit, Karten zu bekomen? Acht Jahre durchschnittliche Wartezeit. Bayreuth schien über Jahrzehnte nur denen zu gehören, die aus unerfindlichen Gründen Zugang bekamen. Ich war darum froh, als junge Kritikerin, überhaupt als Frau, direkt aus Bayreuth berichten zu können. Ich machte das live, vor der Aufführung, während der Aufführung, aus den Pausen heraus, nach der Aufführung, bei Wind und Wetter. In Bayreuth ist es entweder zum Schmelzen heiß oder es regnet sintflutartig. Beides habe ich erlebt, über beides habe ich berichtet, wenn es denn wichtig war. Wichtig war immer die Musik. 1999 gab es zwar schon Handis, aber ich bekam vom Sender ein paar Mal so ein tragbares Telefon mit, kein Handy, sondern einen eher unhandlichen Plastikasten, der so groß war, dass man sich für die Übertragung hinsetzen musste. Ab und zu haben wir es auch über das Mobiltelefon probiert, aber das Telefonnetz war zu schlecht auf dem Grünen Hügel. Keine Chance. Ich weiss jedenfalls noch heute, auf welcher Parkbank links vom Festspielhaus man den besten Empfang hat.
In den Anfängen gab es einen regelrechten Run auf die erste Berichterstattung am Abend. Wir wollten die ersten sein und waren es ganz oft auch. Zwischen Aufführung und Live-Schalte lagen manchmal nur 3 Minuten. Es gab Abende, da haben Martin Grunenberg und ich stundenlang über die Premiere verhandelt. Martin moderierte aus dem Studio die Live-Übertragung, ich stand vor Ort und beschrieb das Geschehen. Das war “radio at its best”. Heute kaum vorstellbar. Heute geht alles noch viel schneller über Twitter und Instagram
Bayreuth ist mein Wacken, es ist ein großer Rausch. Weil es Wagner ist, weil es ein Festival ist. Es lässt mich für ein paar Tage in eine Welt eintauchen, in der nur eines zählt: Musik. Festivals sind kleine Inseln, die man unbedingt regelmäßig bereisen sollte.
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