Herrje Taipei!

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Als ich ihn auf das Wetter anspreche und die wirklich dicke Luft, meinte Yungtai gestern abend, dass es doch schon viel besser geworden sei mit der pollution. Man versuche, die Rollerfahrer zu bändigen und habe ganz gute Gesetze erlassen, die zu einer deutlichen Verbesserung der Luft in den letzten 15 Jahren geführt haben. Taipei ging am ersten Tag der Ankunft im Regen unter, am zweiten Tag dann dünstete alles gewaltig aus. Als ich vor 15 Jahren das erste Mal in Beijing war zum Arbeiten bei China Radio International und meinen allerersten Film drehte, war es ähnlich krass. Nur dass hier in Taipei auch einmal ein frisches Lüftchen weht so wie in Shanghai. Das Wetter in China gibt einem buchstäblich eins auf die 12, so beharrlich, dass ich nicht drumherum komme, darüber zu sprechen.

Yungtai hat mich im Hotel abgeholt, zusammen mit seiner Tochter, wir sind etwas trinken gegangen, taiwanisch trinken. Das war das Beste überhaupt seit langem: eine Art Glibber-Jelly-Suppe, die aussah wie Jü, unter dem Jü war Wasser-Eiscrunch und als Topping gab es noch mal ein paar Jellybohnen von schöner Kau-Konsistenz. Zauberhaft. Ich würde sagen, es war eine Art Eissuppe, aber Yungtai sagte “Trinken” dazu. So, und damit erfülle ich auch gleich das 2. Klischee eines europäischen Besuchers in Südostasien: nach dem Wetter rede ich über das Essen. 

Yungtai hat mich zur wöchentlichen Probe abgeholt. Er ist Dirigent in einem Blockflöten-Orchester, oder sagen wir mal, in dem Blockflöten-Orchester Taiwans schlechthin: TYRO. Taiwan youth recorder orchestra, das es mittlerweile so lange schon gibt, dass er – wie er mir gestern sagte – das “youth” aus dem Titel gestrichen hat. Taiwan ist eine Blockflötennation, so wie Deutschland. Hier lernen die Schüler ab dem 3. Schuljahr Sopranflöte, 4 Jahre später kommt dann noch die Altblockflöte dazu. Jeder Haushalt in Taiwan hat also zwei Flöten: Sopran und Alt. Fun fact!

Und ganz offensichtlich hat man hier seinen Spaß, denn die jungen Musikerinnen und die drei Jungs proben jeden Sonntag abend zwei Stunden in einer kleinen Schule.  Gestern gab es ein Extrakonzert für mich mit einem ziemlich anspruchsvollen Stück von Dietrich Schnabel, einem diabolischen Tanz, bei dem das Orchester auch mal zeigen konnte, wie “schief” man auf einer Blockflöte tatsächlich spielen kann, und einem ziemlich komischen Ding, das wie Vivaldis “Vier Jahreszeiten” begann und dann nach ein paar Takten in eine taiwanische Weise wechselte. Das war schon ziemlich lustig. 

Dass man in Taiwan so gern Blockflöte spielt, habe ich auch erst kürzlich gelernt. Man liebt vor allem die Orchester, weil man so wunderbare Transkriptionen für Flötenorchester schreiben kann. Ganze Orgelwerke werden für Blockflötenorchester umgearbeitet, weil die Flöte den Orgelsound so eindrucksvoll imitieren kann.  Yungtai schwärmt davon, er liebt das Instrument, eigentlich hat er Shakuhachi gelernt, aber eine Aufnahme mit Michala Petri hat ihn als Jungen so begeistert, dass er der Blockflöte komplett verfiel. Da ist er nicht der einzige, denn heute geht es auf nach Hsinchu, einem weiteren Blockflötenstützpunkt im Norden Taiwans. Ich bin echt gespannt. 


2 Antworten

  1. Mechthild

    Es ist, als wäre man dabei – und ganz bequem: vom Sofa aus. Macht viel Spaß zu lesen, danke, danke, weiter so!!! Aber: Was ist Shakuhashu?

    1. Natascha

      Shakuhachi: das ist die traditionelle chinesische oder auch japanische Bambusflöte, klingt sehr schön hell und lieblich.

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